Biografie Moshé Feldenkrais
Moshé Feldenkrais, Gründer der nach ihm benannten Methode, hatte sich beim Fußballspielen eine Knieverletzung zugezogen. Nach Jahren verschlechterte sich der Zustand des Knies so sehr, dass ihm die Ärzte prophezeiten ohne Operation nie wieder normal laufen zu können. Da man ihm nach damaligen medizinischen Möglichkeiten nur eine 50-prozentige Erfolgsaussicht versprechen konnte, versuchte Feldenkrais im Selbststudium zu verstehen wie der menschliche Bewegungsapparat funktioniert. Zum Erstaunen aller lernte er wieder schmerzfrei zu gehen und als Nebeneffekt lernte er zu lernen. Denn sein Knieproblem war der Anlass sich ein Leben lang mit den Zusammenhängen von Bewegung, Verhalten und Lernen zu beschäftigen.
Moshé Feldenkrais, geboren 1904 in Slawuta, Russland, heute Ukraine, wanderte mit 14 Jahren nach dem damaligen Palästina aus, um am Aufbau einer nationalen Heimstätte für jüdische Siedler teilzunehmen. Um sich selbst verteidigen zu können, beschäftigte er sich auch intensiv mit Jiu Jitsu.
1927 ging er nach Paris, um dort Elektrotechnik, Maschinenbau und Physik zu studieren; Promotion in Physik an der Universität Paris-Sorbonne.
1933-1940 assistierte er Frédéric und Irène Joliot-Curie (Nobelpreis für Chemie 1935) am Radium Institut in Paris.
In dieser Zeit kam Feldenkrais durch sein Interesse an Jiu Jitsu in Kontakt mit Jigorō Kanō, in dessen Auftrag er den ersten Judoclub außerhalb Japans gründete. Feldenkrais erwarb 1936 den schwarzen Gürtel und betätigte sich auch als Judolehrer. Die Philosophie Jigorō Kanōs, in der Kampfkunst Körper und Geist zu schulen, hat Feldenkrais nachhaltig beeinflusst. Außerdem lernte er durch die Ärztin Lily Ehrenfried den forschenden Körperwahrnehmungsansatz von Elsa Gindler kennen.
1940 floh er vor den Nationalsozialisten nach Schottland, wo er im Bereich der Sonartechnik zur Erkennung von U-Booten arbeitete. In dieser Zeit begann er auch an seiner Methode zu arbeiten, beschäftigte sich mit Anatomie, Kindesentwicklung, Evolution, Psychologie, Neurophysiologie, Neuropsychologie und Methoden die sich als ganzheitlich verstehen.
1943/44 hielt er vor Wissenschaftlern in Schottland in der British Association of Scientific Workers eine Vorlesungsreihe. Diese war die Grundlage für sein 1949 herausgegebenes Buch mit dem Titel: “Body and Mature Behaviour: A Study of Anxiety, Sex, Gravitation and Learning“. Deutscher Titel: “Der Weg zum reifen Selbst. Phänomene menschlichen Verhaltens“ (Junfermann-Verlag).
1950 Rückkehr in den Teil Palästinas, der nun Israel ist. Leiter der Elektronikabteilung des Verteidigungsministeriums.
Ab 1952 widmete er sich ganz seiner Methode und gründete in Tel Aviv das Feldenkrais-Institut. Er nennt die Einzelarbeit „Funktionale Integration“, die Arbeit mit der Gruppe „Bewusstheit durch Bewegung“. Die Bewegungslektionen werden so angeboten, dass jeder sich darin übt, die eigenen Bewegungen wahrzunehmen und quasi ein Experiment mit offenem Ausgang durchführt.
In den 1960er und 1970er Jahren unterrichtete er in Israel und vielen Europäischen Ländern. In Tel Aviv bildete er die ersten 13 LehrerInnen in der Feldenkrais-Methode aus.
1975 holte Thomas Hanna, Leiter des Instituts für Humanistische Psychologie in San Francisco, Moshé Feldenkrais nach San Francisco und organisierte die erste Feldenkrais-Ausbildung in den USA mit 80 TeilnehmerInnen.
Eine zweite folgte in Amherst mit 250 TeilnehmerInnen. Feldenkrais suchte die Begegnung und Diskussion unter anderen mit Wissenschaftlern, wie der Anthropologin Margaret Mead, dem Neurowissenschaftler Karl H. Pribram, dem Psychiater und Psychotherapeuten Milton H. Erickson, dem Reformpädagogen Heinrich Jakoby, den Kybernetikern Gregory Bateson und Heinz von Foerster. Er kannte die Körperarbeit von Ida Rolf und F. Matthias Alexander. Außerdem beschäftigte er sich mit den Theorien von A. D. Speransky, Erwin Schrödinger, J.Z. Young, Konrad Lorenz und Iwan Pawlow, um nur einige zu nennen.
Dr. Moshé Feldenkrais starb 1984 zuhause in Tel Aviv.
Literaturangabe; Bücher von Moshé Feldenkrais:
Bewusstheit durch Bewegung - Der aufrechte Gang, Suhrkamp, 1968 Taschenbuch
Die Entdeckung des Selbstverständlichen, Suhrkamp, 1981
Das starke Selbst. Anleitung zur Spontaneität, Suhrkamp
Der Fall Doris, Abenteuer im Dschungel des Gehirns
Die Feldenkrais-Methode in Aktion, Junfermann 1993
Moshé Feldenkrais’ Leben und Werk waren entscheidend geprägt von einem permanenten Streben nach der Integration vieler verschiedener kultureller Erfahrungen und multipler wissenschaftlicher Interessen. Auf der Ebene des Menschlichen ist die Bedeutung seiner Arbeit vielleicht von ihm selbst am besten zusammengefasst worden. Ein ungeduldiger Schüler, der ihm argumentativ immer wieder unterlag, fuhr ihn einmal wütend an: "Also gut, dann erklären Sie mir mal, wie ich so ein Genie werden kann wie Sie". Nachdenklich gab Feldenkrais zur Antwort: "Die meisten Menschen benutzen ihr Leben lang ihre Stärke, um ihre Schwäche zu überspielen. Sie verausgaben sich völlig mit der Aufrechterhaltung dieser Spaltung. Wer sich aber seine Schwächen eingesteht, der kann zum Genie werden. Erst der, der seine Schwäche kennt und seine Stärke dazu nutzt, die schwache Seite zu integrieren, wird zum ganzen Menschen."
© Uta Ruge